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Galerieporträt:
Trautwein Herleth
Die Geschichte der Galerie Trautwein Herleth beginnt im Jahr 2014 mit dem Projektraum Oracle. Es ist eine Neuköllner Wohnung, in der zwei junge Kurator*innen Ausstellungen organisieren. Bärbel Trautwein und Daniel Herleth zeigen zeitgenössische Künstler*innen wie Simon Speiser, Young Girl Reading Group, Flora Klein oder Niki S. Lee, jedoch auch etablierte Positionen wie den amerikanischen Landart- und Konzeptkünstler Peter Fend. Neben Kunst finden sich auch andere Objekte in den Ausstellungen, Fashion, dokumentarische Fotos einer Graffiti-Crew oder YouTube Videos von damals noch vollkommen absurden Verschwörungstheoretikern. Nach einigen Ausstellungen zieht der Projektraum in die Europapassage in der Westberliner Joachimsthaler Straße.

Bärbel & Daniel portrait (2024) by Diana Pfammatter
„Es lag etwas Magisches in diesem Moment. Wir waren jung, wir wussten noch nicht so ganz genau, was auf uns zukommen wird und haben es einfach gemacht.“ erinnert sich Bärbel Trautwein im Gespräch in der Galerie an die Zeit, in der sie diese merkwürdig schönen und außerordentlich ungewöhnlichen Ausstellungen zusammenzutragen. Auch die Galeristin Barbara Weiss, für die Herleth nebenbei begonnen hatte zu arbeiten, wird auf sie aufmerksam – und holt die beiden in ihre Galerie, um eine neue Generation junger Künstler*innen aufzubauen. Es folgen Jahre der Zusammenarbeit, ein gewachsenes Vertrauen, der frühe Tod Barbara Weiss‘ und schlussendlich im Jahr 2017 die Übernahme der Galerie durch Trautwein Herleth – noch bis 2024 unter dem Namen der früheren Galeristin.
Betritt man die hellen Ausstellungsräume in direkter Nachbarschaft des Kreuzberger Landwehrkanals und des Künstlerhaus‘ Bethanien, sickert an schönen Tagen sanft die Sonne durch die Fenster. Namen und Räume haben gewechselt doch der ungewöhnlich institutionelle Geist, die Vorliebe für Kunst abseits von Oberfläche und Klischee, für Kunst mit Haltung und Idee, er weht ganz eindeutig unverändert stark durch Trautwein Herleths Ausstellungen.

Monika Baer
The Inside Out
Galerie Barbara Weiss, Berlin
September 8 – October 21, 2023
Photo by Jens Ziehe
Courtesy the artist and Trautwein Herleth, Berlin

Frieda Toranzo Jaeger
Heart Core
Galerie Barbara Weiss, Berlin
April 28 – June 3, 2023
Photo by Jens Ziehe
Courtesy the artist and Trautwein Herleth, Berlin
Das wird nicht nur in den Künstler*innen deutlich, die die Galerie vertritt. Einige von ihnen, wie die aus Istanbul stammende Wahl-Berlinerin Ayşe Erkmen, die Malerin Monika Baer oder das Estate des 2014 verstorbenen Harun Farocki, stammen noch aus den Zeiten Barbara Weiss‘. Andere, wie die installativ arbeitende Sung Tieu, die Malerin Frieda Toranzo Jaeger oder die Bildhauerin Olga Balema, kamen erst in den letzten Jahren zu Trautwein Herleth und manche Positionen wie Peter Fend und Puppies Puppies (Jade Guanaro Kuriki Olivo), deren Ausstellung zum diesjährigen Gallery Weekend Berlin am 2. Mai eröffnen wird, begleiten die Galeristen noch aus den anfänglichen Oracle Zeiten.
Nichts in der Welt im Allgemeinen und in der, der Kunst im Speziellen existiert ohne Kontext und auch wenn – oder gerade, weil – der Schwerpunkt der Galerie eindeutig in der Gegenwartskunst liegt, wird dieser stets verortet. Gesellschaftlich, historisch, biografisch. „Galerien sind Teil eines sehr ausdifferenzierten Systems, dem System der Kunst – mit all seinen Facetten. Da sind natürlich die Künstler*innen, aber auch die Autor*innen und Kritiker*innen, Kurator*innen, die Institutionen, die Sammler*innen und so weiter. Durch diese Verzahnungen kann auch die politische Relevanz und Resonanz von Kunst überhaupt erst existieren. Wir zeigen Künstlerinnen und Künstler, deren Werk wir für relevant in einem weiteren Sinne halten.“ beschreibt Daniel Herleth diesen Komplex.

Jenny Holzer
Inflammatory Essays
Oracle, Berlin
February 24 – March 19, 2017
Photo by Jens Ziehe
Schon das Programm Barbara Weiss’ galt als politisch, ja feministisch, es war einer der Gründe, warum Trautwein und Herleth sich für die Galerie und schließlich deren Übernahme entschieden. Räume bedeuten Macht. Wer darf über sie verfügen, wer in ihnen sprechen, zeigen, sie betreten?
„Insbesondere in einer Zeit, in der offene Räume für Kunst und Kultur weltweit wieder enger und enger werden oder sich für bestimmte Künstler*innen sogar ganz verschließen, einerseits durch die Kürzungen von Geldern, jedoch auch durch politische Kontrolle, ist uns wichtig, unseren Galerieraum auch als Raum für Dialog zu begreifen“, erzählt Bärbel Trautwein. „Es ist uns wichtig, anderen Stimmen eine Plattform zu geben, zum Beispiel jetzt, während des Gallery Weekends Jade (Puppies Puppies), in deren Arbeiten es auch um Fragen nach Gender geht. Und vor dem Hintergrund der aktuellen restriktiven amerikanischen Politik, ist dafür gerade einfach der wichtigste und dringendste Moment.“

Devotion
Monika Baer, Jonathan Horowitz, Pierre Klossowski, Stanislava Kovalčíková, Eric N. Mack, Paul P., Barbara Wesołowska, and anonymous sculptures+
Trautwein Herleth, Berlin
March 11 – April 17, 2025
Photo by Jens Ziehe
Das Bewusstsein über die Verantwortung gegenüber der Kunst, der Kultur, gegenüber den Künstler*innen, Besucher*innen und dem Markt ist hier ebenso wenig zufällige Nebensache wie die Lage der Ausstellungsräume mitten im belebten Kreuzberg – mitten in den Menschen, die die Kunst durch ihre Reflexion erst zu dem machen, was sie ist. Galerieräume nicht nur als Verkaufs- sondern auch als Resonanzflächen zu begreifen, ist die große Stärke der beiden Galeristen und ihres Programms. „Wenn jedoch diese sensiblen und komplexen Arbeiten, die wir zeigen, auf Sammler*innen treffen, die sie erwerben, dann ist das oft eine sehr bewegende und berührende Erfahrung. Wir lernen die Käufer*innen so ganz anders kennen und daraus hat sich über die Jahre natürlich auch ein hochinteressantes Netzwerk von Menschen gebildet, die vielleicht geografisch nicht so nah beieinander sind, aber die das Spezifische unseres Programms schätzen und sich darin nahestehen“, so Herleth.
Das dieses Programm trotz seines weit über formalistische, ästhetische Kriterien herausreichenden Anspruchs weder zu didaktisch noch zu verkopft sein muss, sondern teils auch einfach wunderschön sein kann, beweisen Trautwein Herleth seit vielen Jahren – ganz egal unter welchem Namen.
Gallery Portait:
Trautwein Herleth
The story of the gallery Trautwein Herleth began in 2014 with the project space Oracle, a Neukölln apartment where two young curators organized exhibitions. Bärbel Trautwein and Daniel Herleth showcased contemporary artists like Simon Speiser, Young Girl Reading Group, Flora Klein, and Niki S. Lee, as well as established figures like American land art and conceptual artist Peter Fend. Their shows didn’t only feature art: fashion, documentary photos of a graffiti crew and early YouTube videos by then-largely-unknown conspiracy theorists also made appearances. After several exhibitions, the project space moved to the Europa Passage on West Berlin’s Joachimsthaler Straße.

Bärbel & Daniel portrait (2024) by Diana Pfammatter
“There was something magical about that moment. We were young, we had no idea what was coming and we just did it,” Bärbel Trautwein recalls during a conversation at the gallery, reflecting on the time they were putting together those strangely beautiful and exceptionally unusual exhibitions. Barbara Weiss, the renowned gallerist whom Herleth had started working for on the side, took notice and invited the two to join her gallery to help foster a new generation of artists. This led to years of collaboration, growing trust, and eventually, following Barbara Weiss’ early death, the takeover of the gallery by Trautwein Herleth in 2017 — operating under Weiss’ name until 2024.
When you step into the gallery’s bright exhibition spaces—located near Kreuzberg’s Landwehr Canal and the Künstlerhaus Bethanien—sunlight filters gently through the windows on pleasant days. While names and locations may have changed, the gallery’s uniquely institutional spirit and its commitment to art that resists surface-level trends and clichés—art with depth, attitude, and ideas—remain as strong as ever in Trautwein Herleth’s exhibitions.

Monika Baer
The Inside Out
Galerie Barbara Weiss, Berlin
September 8 – October 21, 2023
Photo by Jens Ziehe
Courtesy the artist and Trautwein Herleth, Berlin

Frieda Toranzo Jaeger
Heart Core
Galerie Barbara Weiss, Berlin
April 28 – June 3, 2023
Photo by Jens Ziehe
Courtesy the artist and Trautwein Herleth, Berlin
This spirit is evident not only in the artists the gallery represents. Some, like Berlin-based Ayşe Erkmen from Istanbul, painter Monika Baer, or the estate of the late Harun Farocki (who passed in 2014), have been part of the program since the Barbara Weiss era. Others, such as installation artist Sung Tieu, painter Frieda Toranzo Jaeger, and sculptor Olga Balema, joined more recently. And then there are figures like Peter Fend and Puppies Puppies (Jade Guanaro Kuriki Olivo), whose exhibition opens on May 2 during this year’s Gallery Weekend Berlin, artists connected to Trautwein and Herleth since their early Oracle days.
Nothing, especially in the art world, exists without context. And even though the gallery’s clear focus is on contemporary art, that art is always grounded: socially, historically, biographically. “Galleries are part of a highly nuanced system — the art system — with all its layers. There are the artists, of course, but also writers and critics, curators, institutions, collectors and more. Only through these interconnections can art carry political relevance and resonance. We represent artists whose work we believe matters in a broader sense,” explains Daniel Herleth.

Jenny Holzer
Inflammatory Essays
Oracle, Berlin
February 24 – March 19, 2017
Photo by Jens Ziehe
Barbara Weiss’ program was always considered political, even feminist, and that was one of the reasons Trautwein and Herleth chose to work with her and eventually take over the gallery. Spaces hold power. Who gets to access them, speak in them, show their work in them?
“Especially now, when open spaces for art and culture are narrowing around the world — or closing off entirely for certain artists, whether due to funding cuts or political control — it’s important for us to see our gallery as a space for dialogue,” says Bärbel Trautwein. “We want to offer a platform to different voices. Right now, for example, during Gallery Weekend, we’re showing Jade (Puppies Puppies), whose work explores questions of gender. Given the current wave of restrictive U.S. policies, this feels like the most urgent time to be doing so.”

Devotion
Monika Baer, Jonathan Horowitz, Pierre Klossowski, Stanislava Kovalčíková, Eric N. Mack, Paul P., Barbara Wesołowska, and anonymous sculptures+
Trautwein Herleth, Berlin
March 11 – April 17, 2025
Photo by Jens Ziehe
Their awareness of the responsibility they carry, for art, for culture, for the artists and audiences, and even the market, is no accident. Nor is the location of the gallery: right in the heart of Kreuzberg, among the people who, through their engagement, give the art its meaning. Seeing gallery spaces not just as places for sales but also as spaces of resonance is one of the great strengths of Trautwein and Herleth and their curatorial vision. “When these sensitive and complex works we show connect with collectors who buy them, that can be a deeply moving experience. We get to know the buyers in a completely different way. Over the years, that’s helped form a fascinating network of people — maybe not geographically close, but connected through a shared appreciation for the unique nature of our program,” Herleth adds.
Trautwein Herleth have been proving for many years that a program with ambitions far beyond formal or aesthetic criteria doesn’t have to be overly didactic or cerebral—but can, at times, simply be beautiful. No matter what name is on the door.