Daniel Spoerri
Kein Freund von Stillstand
Gedächtnisausstellung zum 95.
– Teil II

2 MAY until 6 JUN 2025
Opening – 2 MAY 2025, 6-9 pm

Den zweiten Teil der Gedächtnisausstellung widmet die LEVY Galerie relevanten und dennoch weniger bekannten Werkgruppen aus dem Oeuvre Daniel Spoerris. Darunter die raumfüllende Installation der „Hutfedern“ und „Originale in Serie“, Werke, die die Grenzen zwischen Multiple und Unikat verwischen.

Daniel Spoerri
Hutfedern | Piumi di capelli – Roncole, 2005
Assemblagen
16 Stück | objects
Variierende Maße | various sizes,
Maximale Höhe | max. heigt 210 cm

Die „Hutfedern“ – Variation und Vielfalt

Wenn Daniel Spoerri auf den Flohmarkt ging, so wollte er überrascht werden. Er hoffte, etwas Unerwartetes zu finden. Es mischten sich Neugier und der Sinn für Skurriles. Mit dieser Erwartung betrachtete er auch Alltägliches. Wenn er einen Küchenladen betrat, so fragte er: „Wo ist Ihre Abteilung für Küchengadgets?“. „Gadgets“ – Werkzeuge, aber auch „Gags“, denn wer benötigt schon ein Instrument, das eigens erfunden wurde, um ein Frühstücksei zu köpfen?!

Selbst wenn man nur ein Messer kaufen möchte, hat man die Qual der Wahl: Gemüsemesser, Fleischmesser, Fischmesser, Brotzeitmesser, Käsemesser, Kartoffelschälmesser, Steakmesser, Kochmesser, Tomatenmesser – für jeden Handgriff gibt es ein Extra-Messer. Die Mannigfaltigkeit ist ebenso erstaunlich wie sie überflüssig erscheint. Daniel Spoerri sah darin die Verwirklichung eines darwinistischen Prinzips: Die Evolution, so meinte er, lasse sich auch an Küchengeräten ablesen, die der Mensch stets zu verschönern und zu verbessern sucht. Manche Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch Spoerris Werk; Variation und Vielfalt ist eines davon.

2005 entwickelte Spoerri aus Hutmodeln und einer Sammlung verschiedener Macheten eine Figurengruppe, die er „Hutfedern“ („Piumi per capelli“ / „Plumes de Chapeau“) nannte.

In der Toskana, hatte er die in der Region am Monte Amiata gebräuchlichen „Penaten“ und „Roncole“ entdeckt. Diese Sicheln haben ganz unterschiedliche Klingenformen. Spoerri erfuhr, dass die Form der »roncola« abhängig ist von dem jeweiligen Landstrich, in dem sie verwendet wird und nach dem sie auch benannt wird; es gibt ein Modell Varese, Scansano, Merano, Maremma, Roma, etc. Der Hersteller lieferte seinerzeit eine kleine Landkarte mit, auf der die Sichelformen als schwarze Schattenrisse geografisch zugeordnet waren. Spoerri bestellte ein Exemplar von jeder Sichel. Diese umfangreiche Sammlung traf in seinem Atelier bald auf eine Reihe noch nicht verwendeter hölzerner Hutmodel.

Weniger als Schädelspalter denn als Schmuck setzte er die bedrohlich scharfen Klingen ein und positionierte die „Köpfe“ auf diversen Ständern aus Bronze. So fanden Hutformen, einbeinige Ständer und »Roncole« zusammen.

„So sind diese Gruppen zu einer Art sozio-ethnologische Studie geraten, die eine gemeinsame Tendenz aufweist, nämlich die Bestrebung, sich voneinander abzusetzen“.

Daniel Spoerri, 2005

Daniel Spoerri
noch ohne Titel, 2007
Bronze
17 x 67 x 8 cm
Edition of 8 (#1/8)

Daniel Spoerri
Tableau-piège, 1981
Bronze
42 x 30 x 31 cm
Edition of 100 plus 10 artist’s proofs (AP 1/10)

MULTIPLES – Einmaliges in Serie

Vielfalt ist ein Schlüsselbegriff, um Daniel Spoerris Werk zu verstehen. Er interessierte sich für Variationen des vermeintlich Gleichen: Sägen, Messer, Teller, Tassen, hunderte von „Nudelradeln“ und keins ist wie das andere!

Eines von Spoerris Werken besteht aus einer Sammlung von 200 Sparschälern, die er auf eine Holzplatte montieren ließ. Kompositorisch sind diese Sammlungen Reihungen, Aufzählungen der möglichen Formen eines Alltagsgegenstandes. Diese Herangehensweise korrespondiert mit dem Titel eines 1939 erschienenen Gedichtbands von Paul Éluard: „Donner à voir“ (= zu sehen geben), der für Daniel Spoerri geradezu programmatisch wurde.

Zeigen, was der Fall ist – das ist eine recht nüchterne Kunstauffassung. Die Realität soll den Künstler ersetzen, und der Zufall bei der Entstehung von Kunstwerken Regie führen. Dieses „Programm“ realisierte Daniel Spoerri mit seinen „Fallenbildern“.

Die Idee der Variation beschäftigte ihn aber schon in den 1950er Jahren. Sie ist für das Multiple von zentraler Bedeutung. Dabei ging es nicht um Reproduktionen, sondern um seriell hergestellte, dreidimensionale Originale in einer begrenzten Auflage, die preiswert angeboten werden konnten. Das Multiple bedeutet eine „Demokratisierung“ der Kunst.

Daniel Spoerri
La Pharmacie Bretonne, 1981
Assemblage, Holzobjekt mit 117 Glasflaschen mit “wunderwirkenden und heilenden Wassern” aus den Brunnen der Bretagne | Assemblage, Wooden object with 117 glass bottles containing ‘miraculous and healing waters’ from the fountains of Brittany
103 x 40 x 17 cm
Edition of 55

„Meine Idee war es, den Unterschied zwischen Multiplikation und Vervielfältigung herauszustellen. Die Vervielfältigung ist eine möglichst exakte Massenvervielfältigung. Also wie ein Mercedes, der einem anderen Mercedes desselben Modells möglichst gleichen muss. Die Multiplikationen hingegen sind Variationen über ein Thema. (…) Es sind Originale in Serie.“

D.S. 2015 in einem Interview mit Franziska Leuthäußer Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt